Liebe Leserinnen, lieber Leser,

von Martin Buber stammt folgende Geschichte:

Rabbi Baruchs Enkel, der Knabe Jechiel, spielte einst mit einem anderen Knaben Verstecken.
Er verbarg sich gut und wartete, dass ihn sein Gefährte suche.
Als er lange gewartet hatte, kam er aus dem Versteck, aber der andere war nirgends zu sehen.
Nun merkte Jechiel, dass jener ihn von Anfang an nicht gesucht hatte.
Darüber musste er weinen und kam weinend in die Stube seines Großvaters gelaufen und beklagte sich über seinen Spielgenossen.
Da flossen Rabbi Baruch die Augen über, und er sagte: „So spricht Gott auch:
Ich verberge mich, aber keiner will mich suchen.“

Gestern war Fronleichnams-Gottesdienst − wegen der Corona-Pandemie ohne Prozession und nicht, wie gewohnt als Pfarrverband.
Mit dem Fronleichnamsfest sind die großen kirchlichen Feiertage erst einmal vorbei. Es beginnt der „normale kirchliche Jahreskreis“.
Wie wird es uns da mit der Gottessuche gehen? Wie präsent bleibt Gott in unserem Alltag, der auch in der nächsten Zeit kein gewohnter Alltag sein wird?
Folgende Worte eines/einer unbekannten Verfasser s/in können ermutigen:

Gott,
du bist mir nahe in jedem Menschen, der mich gern hat,
der mich der Mühe wert findet,
der mit mir geht und bei mir bleibt, wenn es Abend wird.

Gott,
du schaust mich an durch die zarten Augen jedes Menschen,
der Verständnis für mich hat.
Du bist nahe in jedem guten Wort, das mich tröstet und stützt.
Du bist in der Hand auf meiner Schulter, die mir Mut macht,
und mich liebevoll zurechtweist, wenn ich dunkle Wege gehe.

Gott,
du bist mir nahe in dem Mund, der mit Liebe küsst.
Es ist die Wärme deines Herzens, die ich in der Umarmung fühle.

Wo die Liebe im Herzen der Menschen wohnt,
können wir sinnvoll über dich sprechen und einander verstehen.

In der heutigen Tageslesung im ersten Buch der Könige, ist es der Prophet Elija, der Gott sucht. Elija kommt in Angst vor dem störrischen Gottesvolk, das sich von Gott abgewendet hat, und nun Elija nach dem Leben trachtet.
Elija wird mit der Gegenwart Gottes belohnt, aber ganz anders, als Elija es erwartet hat. Nicht im Sturm, noch im Erdbeben, noch im Feuer begegnet ihm Gott, sondern in einem sanften Säuseln.
Im sanften Säuseln betraut Gott Elia mit einer großen Aufgabe. Dem verängstigten Elija traut er dennoch Großes zu und er wird ihm Mut und Kraft für die Aufgabe geben.

Uns zeigt es: Gott verbirgt sich, um sich suchen zu lassen. Auch wenn wir ihn nicht sehen und suchen, ist er doch da, ohne sich aufzudrängen.
Als Gottes Kinder, als seine Kirche, können wir uns gegenseitig an Gottes Liebe und Anwesenheit erinnern und sie uns immer wieder vergegenwärtigen.
Denn sein „Ich bin der ich-bin-da“ gilt auch in unserer Zeit – und er hört nicht auf, auf unsere Antwort, auf unser „Ich bin da Herr“ zu warten.

Ihre/Eure Marina Lisa Steineke