Spirituelle Impuls von Marina Lisa Steineke

Der Garten der Lebensfreude

Wir bebauen uns ein Fleckchen Erde
pflanzen deinen Witz − meinen Humor
unser Lachen − unsere Tränen
unseren Frohsinn − unsere Traurigkeit
und einen kleinen Baum
säen deine Stille − mein Schweigen
unseren Idealismus − unsere Ideen
unsere Verrücktheiten unsere Liebe
und einfache Blumen

lassen unsere Hoffnungen keimen
beschneiden nichts
in unserem Garten
der Lebensfreude
(aus „Wage zu träumen“ v. Margot Bickel und Herman Steigert)

Liebe Leserin, lieber Leser,
in dieser Zeit so ein optimistischer Text?
Ja, ich habe mich zunächst auch über mich selbst gewundert, als ich bei der Vorbereitung meines Impulses immer wieder an diesen Text denken musste. Doch das gestrige Unwetter und der heutige Evangeliumstext haben meinen Eindruck noch bestärkt – ja, genau das ist der richtige Text für meinen spirituellen Impuls.

Es ist ein sehr ehrlicher Text, bei dem die Hoffnung und die Lebensfreude überwiegen, aber die andere Seite des Lebens wird nicht ausgespart – alle Emotionen des Lebens kommen vor.
In einem meiner letzten Impulse habe ich davon erzählt, wie ich das Blumenbeet im Pfarrhausgarten neu angelegt habe.
Gestern kam ich von einem Termin zurück und musste feststellen, dass das Unwetter ganze Arbeit geleistet hatte. Natürlich war ich im ersten Moment traurig über den Anblick, doch heute bin ich schon voller Tatendrang, das Beet wieder herzurichten.

In unserem Alltag – in unserem Lebensgarten – erleben wir zurzeit auch viele Einschränkungen und nur langsam werden Lockerungen möglich. So mancher Plan scheint im Keim zu ersticken, noch bevor er richtig aufgeblüht ist. Alles, was wir planen, säen möchten, wird begleitet von einem „Vielleicht“ – einem „Eventuell“ – einem „Wenn“ oder „Aber“.
Wie gehen wir damit um? Lassen wir uns lähmen? Vergessen wir gleich alle Vorsichtsmaßnahmen? Was haben wir im Blick? Nur eine Seite oder behalten wir beide im Blick?

Das heutige Evangelium erzählt die Geschichte vom ungläubigen Thomas (Joh 20, 24-29). Er hat die erste Begegnung der Jünger mit dem Auferstandenen nicht mitbekommen. Er sagt zu den anderen Jüngern, dass nur die Berührung der Wunden Jesu ein Glaubensbeweis für ihn wäre. Jesus gewährt ihm die Bitte und gibt Thomas die Möglichkeit, mit den eigenen Händen seine Wunden zu berühren. Jesus eröffnet eine Möglichkeit, doch es liegt dann an Thomas, die Wunden auch zu berühren und sein Gegenüber als Jesus, den Auferstandenen, anzuerkennen. Jesus sagt dann noch: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben“.

Ich wünsche uns auch, dass wir trotz vieler Hindernisse unsere Lebensfreude und Hoffnung nicht verlieren, auch wenn wir nicht wissen können, was die Zukunft bringt und viele Pläne und Träume ungewiss sind. Ich denke, es ist wichtig, immer wieder, wie Thomas oder wie ein hoffnungsvoller Gärtner, neue Schritte zu wagen und Samen aussäen.

Ich wünsche uns den Blick für das Gute, das keimen, wachsen und Frucht bringen möchte und die Geduld, ihm die Zeit dafür zu geben. So wie auch Jesus Geduld mit Thomas hatte und ihm eine neue Chance für sein Leben gegeben hat. Gehen wir umsichtig mit den neuen Möglichkeiten um und überlegen wir gut, was kann gedeihen, aber welches „Zuviel des Guten“ verhindert eher neues Wachstum.
Im Gedicht ist immer von „wir“ und „uns“ die Rede. Gemeinschaft ist wichtig – beim Teilen der Freude, beim Durchstehen von schweren Momenten und Überwinden von Hindernissen. Auch Jesus hat bewusst ganz unterschiedliche Menschen in seine Nachfolge berufen. Ich wünsche uns auch eine tragende Gemeinschaft beim Gestalten unseres Lebensgartens, ob in der Pfarrei, in der Familie, im Freundeskreis oder anderen Lebensgärten. Eine Gemeinschaft, die trotzdem dem Einzelnen Freiraum lässt.

Ich wünsche uns die Erkenntnis und das Vertrauen, dass wir zwar der Gärtner unseres Lebensgartens sind, aber nicht der Schöpfer – ER, der Schöpfer, ist es, der uns als Teil der Schöpfung alles anvertraut und uns behütend und leitend in seinen Händen hält. Überhören wir seine Stimme und seine Weisung nicht.

Ihre/Eure Marina Lisa Steineke