Spiritueller Freitagsimpuls v. Marina Lisa Steineke
am 05.06.2020

Liebe Leser und Leserinnen,

ich möchte meinen heutigen spirituellen Impuls mit einer Geschichte beginnen.

Ein Vater musste sich auf eine Geschäftsreise begeben.
Seine Familie begleitete ihn zum Zug.
„Hier hast du ein Schinkenbrot, damit du unterwegs nicht verhungerst“, sagte seine Frau.
„Hier hast du eine Flasche Mineralwasser, damit du unterwegs nicht verdurstest“, sagte die Schwiegermutter.
Da überreichte ihm seine kleine Tochter einen selbstgepflückten Blumenstrauß und sagt:
„Hier hast du ein paar Blumen, damit du unterwegs nicht verduftest.“ (Verfasser mir unbekannt)

Mir zaubert diese kleine Geschichte immer wieder ein Lächeln ins Gesicht.
Sicher haben Eltern und Großeltern, die diese Geschichte lesen, schon ähnliche Situationen und Stilblüten erlebt.
Für mich sprüht diese kleine Geschichte vor liebender Zuneigung, Hoffnung, Lebensfreude und
Schöpfungskreativität und nicht zu vergessen vor kostbaren Momenten mitten im Alltag.
Die kleine Episode passt für mich auch gut in unsere Jahreszeit und in unsere besondere Zeit der Corona-Pandemie.
Mir ist diese kleine Geschichte gestern eingefallen, als ich bei der Gartenarbeit im Pfarrhausgarten überlegte, was ich am nächsten Tag im spirituellen Freitagsimpuls schreiben möchte.

Die Menschen, die sich so liebevoll voneinander verabschieden, sind im Herzen sehr reich.
Durch ganz alltägliche, kleine Gesten bekräftigen sie ihren familiären Zusammenhalt und die Liebe zueinander, die auch durch die kommende Entfernung nicht unterbrochen wird.

Die kleine Tochter hat sogar selbst einen kleinen Blumenstrauß gepflückt und sie hat ganz genau zugehört, was die Mutter und die Oma zum Vater gesagt haben und wie der Vater sich darüber gefreut hat und benutzt daher den gleichen Satzbau, um den Vater zu erfreuen.
Sie ahnt nichts von der entstanden kleinen “Stilblüte“, sie schüttet ihre ganze Liebe aus, die sie für den Vater in ihrem kleinen und doch großen Kinderherz hat.

Unser kleines Blumenbeet im Pfarrhausgarten lag lange im Dornröschenschlaf.
Mit der Zeit kam immer mehr der Wunsch auf, es neu aufblühen zu lassen.
Schon bald stellte sich die Frage, was ist Unkraut, was sind Blumen. Wobei es auch sehr schöne und nützliche Pflanzen gibt, die wir als Unkraut bezeichnen. Ich liebe roten Klee und die kleinen Gänseblümchen, die abends ihre Blütenköpfchen zum Schlafen schließen und morgens erwachen und die Blütenblätter öffnen, um sie der Sonne entgegenzustrecken. Im Blumenbeet entdeckte ich aber Pflanzen, die anderen Blumen und Pflanzen keinen Raum und keine Luft zum Wachsen lassen. Also galt es Abhilfe zu schaffen, was nicht immer einfach war, das Schöne war, zeitweise bekam ich die Unterstützung einer Nachbarin – gemeinsam ging manches leichter und die Freude verdoppelte sich. Ich konnte das befreite Wachsen der befreiten Pflanzen förmlich nachspüren – es war wie Raum zum Leben schenken, all den Pflanzen, die sich bisher nicht der Sonne entgegenstrecken konnten. Neue Erde als Kraftquelle kam hinzu und neue Pflanzen. Je mehr das Beet Form annahm, deso mehr wuchs die Freude in mir; auch über den Besuch der ersten Hummeln freute ich mich. Erstaunlich, wie es voll Leben wuselte. Die Gartenarbeit machte mich ruhig und schöpferisch zugleich, wie ein Gebet.
Mir wurde bewusst, dass wir ein Teil von Gottes Schöpfung sind – ein Schöpfergott, der uns zum Blühen geschaffen hat und er selbst ist der Gärtner, der uns lebendiges Wasser, Licht und Wärme zum Wachsen gibt. Erfüllt von dieser Liebe können wir sie weitergeben, so wie die Familie in unserer Geschichte sich mit Zuneigung beschenkt hat, damit Gottes Licht und Quelle nicht auslöschen und vertrocknen wird.

Johannes der XXIII hat einmal gesagt:
„Wir sind nicht auf der Erde,
um ein Museum zu hüten,
sondern um einen Garten zu pflegen,
der von blühendem Leben strotzt
und für eine schöne Zukunft bestimmt ist.“

Bleiben wir in dem Bewusstsein, dass wir als Gottes Kinder zum Blühen geschaffen wurden,
erfreuen wir uns gegenseitig mit unserem Blühen und denken wir in schweren Zeiten daran, dass uns unser Gärtner nicht aus den Augen verliert, sondern uns hegt und pflegt mit seiner Liebe, seinem lebendigen Wasser und seinem Licht. Bleiben wir in ihm verwurzelt, auch wenn die Stürme uns mal wanken lassen.
Unser neues Blumenbeet ist natürlich auch zur Freude aller Gemeindemitglieder und Besucher*innen gedacht, die zum Pfarrhaus kommen.

Ihre/Eure Marina Lisa Steineke